US-Konzerne entdecken Europas Anleihemärkte: Günstigere Finanzierung dank Zinsgefälle

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By Lisa Hoffmann

Die globale Landschaft der Unternehmensfinanzierung erlebt eine bemerkenswerte Neuausrichtung, da große US-amerikanische Konzerne zunehmend europäische Anleihemärkte für die Kapitalbeschaffung nutzen. Dieser strategischer Kurswechsel wird hauptsächlich durch die divergierende Geldpolitik der Europäischen Zentralbank (EZB) und der US-Notenbank Federal Reserve sowie durch sich entwickelnde geopolitische und handelspolitische Überlegungen vorangetrieben. Unternehmen nutzen die aktuellen Zinsunterschiede, um über den Atlantik hinweg kostengünstigere Finanzierungen zu sichern und so einen Teil des Drucks auf die heimischen US-Kreditmärkte zu mindern.

  • US-Konzerne verlagern ihre Finanzierung verstärkt auf europäische Anleihemärkte.
  • Dieser Trend wird maßgeblich durch die divergierenden Zinspolitiken von EZB (Zinssenkungen) und US-Fed (Zinserhaltung) befeuert.
  • US-Unternehmen haben in diesem Jahr bereits 116,3 Milliarden Euro (ca. 134 Milliarden US-Dollar) in Europa aufgenommen.
  • Im Juli 2025 emittierten US-Firmen Euro-Anleihen im Wert von 9 Milliarden US-Dollar, deutlich über dem Dreijahresdurchschnitt von 3 Milliarden US-Dollar pro Monat.
  • Geopolitische Faktoren wie Handelsspannungen beeinflussen die Nachfrage nach US-Unternehmensanleihen negativ.
  • Die Spreads hochverzinslicher US-Unternehmensanleihen haben sich trotz allgemeiner wirtschaftlicher Unsicherheiten auf 0,76 Prozentpunkte verengt, den engsten Stand des Jahres 2025.

Divergierende Geldpolitik als zentraler Treiber

Ein Schlüsselfaktor, der diesem Trend zugrunde liegt, ist die Disparität in den geldpolitischen Ansätzen der Zentralbanken. Während die EZB Zinssenkungen eingeleitet hat, hat die US-Notenbank Federal Reserve ihre Zinsen beibehalten, wodurch sich für Kreditnehmer eine erhebliche Arbitragemöglichkeit ergibt. „Aus Sicht eines Emittenten ist es günstiger, in Euro zu leihen“, erklärt Gordon Shannon, Portfoliomanager bei TwentyFour Asset Management. Obwohl jüngste US-Arbeitsmarktdaten Diskussionen über eine mögliche Lockerung durch die Fed ausgelöst haben, bleiben die US-Zinsen vergleichsweise höher. Dies festigt Europas Position als attraktiveres Finanzierungsziel, selbst für Unternehmen, die Währungsrisiken absichern.

Wachsende Euro-Anleiheemissionen

Dieser strategische Wandel zeigt sich deutlich im Volumen der auf Euro lautenden Anleiheemissionen amerikanischer Firmen. Konzerne wie Verizon Communications Inc., FedEx Corp. und PepsiCo Inc. haben kürzlich den europäischen Markt erschlossen, wobei Verizon Anleihen im Wert von 2 Milliarden Euro verkaufte und sowohl FedEx als auch PepsiCo erstmals seit 2021 wieder auf den Markt zurückkehrten. Kumulativ haben US-Unternehmen in diesem Jahr bereits 116,3 Milliarden Euro (ca. 134 Milliarden US-Dollar) in Europa aufgenommen. Damit nähern sie sich einem Ganzjahresrekord, obwohl noch mehrere Monate im Jahr 2025 verbleiben. Allein im Juli emittierten US-Unternehmen Euro-Anleihen im Wert von 9 Milliarden US-Dollar, was den monatlichen Durchschnitt der letzten drei Jahre von 3 Milliarden US-Dollar erheblich übertrifft.

Geopolitische Einflüsse und Handelsspannungen

Jenseits der Geldpolitik beeinflussen auch geopolitische Faktoren, insbesondere Handelsspannungen, diese Kapitalwanderung. Angesichts der Ankündigung neuer Zölle durch die Regierung von Präsident Trump zeigen ausländische Investoren eine geringere Nachfrage nach US-Unternehmensanleihen. Hans Mikkelsen, US-Kreditstratege bei TD Securities, geht davon aus, dass dieser Trend anhalten wird: „Es wird weniger Nachfrage nach US-Unternehmensanleihen und mehr Nachfrage nach nicht-US-Unternehmensanleihen geben. US-Unternehmen werden die gleichen Emissionsbedürfnisse haben. Sie müssen also erkennen, dass sie sich verstärkt in anderen Währungen finanzieren müssen.“

Ungleichgewicht und Marktreaktionen

Diese Dynamik führt zu einem deutlichen Ungleichgewicht bei der grenzüberschreitenden Währungsaufnahme. Im Gegensatz zum Anstieg der Euro-Emissionen durch US-Firmen nahmen europäische Unternehmen im Juli nur etwas mehr als 2 Milliarden US-Dollar in US-Dollar auf, ein starker Rückgang gegenüber ihrem typischen monatlichen Durchschnitt von 13 Milliarden US-Dollar. Dieses Ungleichgewicht trug direkt dazu bei, dass die Anleiheverkäufe in US-Dollar im Juli unter den Prognosen der Wall Street blieben. Das tatsächliche Volumen wurde mit etwa 81 Milliarden US-Dollar gemeldet, gegenüber erwarteten 100 Milliarden US-Dollar, so Daten von Bloomberg. Nichtsdestotrotz hat das reduzierte Angebot sowohl von ausländischen als auch von inländischen Emittenten die Bewertungen von US-Anleihen positiv beeinflusst. Die Spreads von hochverzinslichen US-Unternehmensanleihen verengten sich auf 0,76 Prozentpunkte, den engsten Stand des Jahres 2025, trotz umfassenderer wirtschaftlicher Unsicherheiten. John Servidea, globaler Co-Leiter für Investment-Grade-Finanzierungen bei JPMorgan Chase & Co., fasst die Auswirkungen zusammen: „Wenn man diesen übergreifenden Trend des Rückgangs des Nettoangebots, weniger Emissionen von Banken aufgrund von Erwartungen an Regulierungsreformen… und mehr US-Unternehmen, die in Europa emittieren, betrachtet, all das verstärkt nur die positiven technischen Faktoren auf dem US-Markt.“

Die Konvergenz günstiger europäischer Zinssätze, sich entwickelnder globaler Handelsdynamiken und einer Neukalibrierung des Nettoangebots auf dem US-Markt zwingt amerikanische Konzerne dazu, ihre Finanzierungsstrategien strategisch neu zu bewerten und zunehmend über den Atlantik hinweg nach Kapital zu suchen. Dieser Wandel spiegelt eine ausgefeilte Reaktion auf makroökonomische Kräfte wider und beeinflusst die Kreditmärkte auf beiden Seiten des Atlantiks.

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