Deutscher Einzelhandel: Rekord-Warenschwund von 4,95 Mrd. Euro durch Diebstahl

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By Tom Richter

Der deutsche Einzelhandel verzeichnete im Rahmen seiner Inventuren 2024 einen alarmierenden Warenschwund von 4,95 Milliarden Euro. Dies stellt einen neuen Rekord dar und übertrifft den Vorjahreswert um 3 %. Das beträchtliche Defizit, das in der neuesten Jahrespublikation des EHI Retail Institute detailliert beschrieben wird, verdeutlicht ein vielschichtiges Problem: Ein erheblicher Anteil, etwa 4,2 Milliarden Euro, ist direkt auf verschiedene Formen von Diebstahl zurückzuführen. Die verbleibenden Verluste sind auf interne Betriebsfehler wie fehlerhafte Preisgestaltung oder buchhalterische Ungenauigkeiten zurückzuführen.

Die treibende Kraft: Kriminalität und organisierte Banden

Der Kern dieser finanziellen Abflüsse liegt in kriminellen Aktivitäten. Ladendiebstahl durch Kunden, einschließlich zunehmend ausgeklügelter Formen der organisierten Kriminalität, verursachte im vergangenen Jahr geschätzte 2,95 Milliarden Euro an Verlusten, ein Anstieg gegenüber 2,82 Milliarden Euro im Jahr 2023. Ein bemerkenswerter Trend ist die Eskalation professioneller Diebesbanden; organisierte Kriminalität macht mittlerweile etwa ein Drittel aller kundenbezogenen Diebstähle aus, was im Jahr 2024 fast 1 Milliarde Euro entspricht. Einzelhändler beobachten, wie größere Gruppen systematisch Regale leeren, Sicherheitspersonal und Mitarbeiter überfordern, wobei sich die Bedenken hinsichtlich der Verbindung dieser Operationen zu Online-Verkaufsplattformen verstärken.

Wirtschaftliche Belastungen als Faktor für Diebstahl

Jenseits der organisierten Kriminalität weist der EHI-Bericht auch auf einen Anstieg des „gewöhnlichen“ Ladendiebstahls durch Kunden hin, der teilweise durch das herausfordernde wirtschaftliche Umfeld Deutschlands begünstigt wird. Die größte Volkswirtschaft der EU hatte mit anhaltender Inflation, erhöhten Energiepreisen und schwankender Produktivität zu kämpfen, was teilweise durch geopolitische Ereignisse und die Pandemie beeinflusst wurde. Der verarbeitende Sektor ist mit globalen Handelsunsicherheiten und Lieferkettenproblemen konfrontiert. Die Wirtschaft hat seit Ende 2022 intermittierende Kontraktionen erlebt, und die sozialen Auswirkungen sind offensichtlich: Die Wohnkosten sind für 12 % der Bevölkerung unerschwinglich geworden, da sie im letzten Jahr über 40 % ihres Einkommens für Wohnraum ausgaben, deutlich über dem EU-Durchschnitt von 8,2 %. Während die Inflation auf etwa 2 % moderiert ist, erreichte die Arbeitslosigkeit 6,2 %, den höchsten Stand seit Ende 2020, wobei die Zahl der Arbeitslosen erstmals seit einem Jahrzehnt fast 3 Millionen erreicht. Diese wirtschaftlichen Belastungen werden als Faktoren für die Zunahme weniger organisierter Diebstähle angesehen.

Ungleichmäßige Verteilung der Verluste und Dunkelziffer

Die Verluste verteilen sich nicht gleichmäßig über die Einzelhandelslandschaft. Lebensmittelmärkte, insbesondere kleinere Supermärkte, waren am stärksten betroffen und verzeichneten Warenverluste von fast 2 Milliarden Euro. Auch Drogerien und Baumärkte meldeten erhebliche Verluststeigerungen. Interessanterweise zeigen die offiziellen Polizeilichen Kriminalstatistiken für 2024 einen Rückgang der gemeldeten Ladendiebstähle um 5 %. Die umfassende Umfrage des EHI Retail Institute schätzt jedoch, dass überwältigende 98 % aller Diebstahlsvorfälle in Deutschland unentdeckt bleiben, was auf eine erhebliche Diskrepanz zwischen den gemeldeten Kriminalitätszahlen und dem tatsächlichen Ausmaß des Einzelhandelsverlusts hindeutet.

Auswirkungen auf die öffentlichen Finanzen

Die finanziellen Auswirkungen reichen über den privaten Sektor hinaus. Die geschätzten 4,2 Milliarden Euro an diebstahlbedingten Schäden für Einzelhändler stellen auch eine erhebliche Belastung für die öffentlichen Finanzen dar. Der Bericht errechnet, dass dem Bundeshaushalt aufgrund dieser nicht erfassten gestohlenen Verkäufe jährlich etwa 570 Millionen Euro an Mehrwertsteuer (MwSt.) entgehen, unter Annahme der regulären Mehrwertsteuersätze.

Investitionen in Sicherheit und die Last für Verbraucher

Als Reaktion auf diese weitreichenden Herausforderungen erhöhen Einzelhandelsunternehmen ihre Investitionen in die Sicherheit erheblich. Schätzungsweise 0,33 % ihres Umsatzes werden für Sicherheitsmaßnahmen bereitgestellt, die Mitarbeiterschulungen, fortschrittliche Videoüberwachung, den strategischen Einsatz von Ladendetektiven und die Implementierung diebstahlsicherer Warenträger umfassen. Die gesamten jährlichen Investitionen in diese Präventivmaßnahmen beliefen sich auf etwa 3,1 Milliarden Euro. Zusammen mit den direkten Diebstahlskosten belief sich die kumulierte finanzielle Belastung aus Verlust und Prävention für den deutschen Einzelhandel im vergangenen Jahr auf rund 7,3 Milliarden Euro. Diese beträchtlichen Kosten, die etwa 1,5 % des durchschnittlichen Einkaufspreises ausmachen, bedeuten letztlich, dass die Verbraucher einen Teil dieser Verluste durch höhere Einzelhandelspreise tragen.

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